Garnbleichen

Garnbleichen im Tal der Wupper

Man vermutet, dass bereits um 1400 im Tal der Wupper Garn gebleicht wurde, Unterlagen darüber hat man erst vom Jahre 1486. Aus den ersten Jahrhunderten ist der technische Vorgang des Bleichens nicht oder nur ungenau bekannt, erst aus dem 18. Jahrhundert sind Beschreibungen überliefert. Die ersten Anregungen kamen wohl aus den Niederlanden. Dort wurde zwar Stückleinen gebleicht, doch das Verfahren war ähnlich.

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Gebleicht wurde im Tal der Wupper Leinengarn. Das Ausgangsprodukt des Leinengarns war Flachs, er wurde gebrochen, gehechelt und gekämmt, dann gesponnen. Die Flachsfaser hat eine braun-graue Farbe und Ziel des Bleichens war es, diese unerwünschten Farbstoffe, aber auch die Verunreinigungen, die beim Spinnen entstanden waren, zu zerstören, damit die Faser ein reinweißes Aussehen annahm.

Zunächst wurde das Garn sortiert und „gefitzt“, d.h. es wurde mit farbigen Fäden nach Qualität und Herkunft gezeichnet und dann gewogen, weil nach dem Gewicht die einzusetzenden Chemikalien berechnet wurden. Es wurde nun in der „Beiz-Büke“ eingeweicht und in einem Kupferkessel, der „Küpe“, in einer Lauge, die aus Holzasche gewonnen wurde, etwa drei Stunden gekocht, wobei schon die gröbsten Verunreinigungen zerstört wurden, deshalb war das Kochen einer der wichtigsten Vorgänge. Das Garn wurde dann mit einer Pike aus dem Kessel genommen und von allen Seiten mit kaltem Wasser begossen, damit es keinen Schaden nahm. Es wurde anschließend an einer Steinwand unter klarem Wasser ausgeschlagen und ausgewrungen, dazu benutzte man zwei Stöcke. Dann wurde es Schicht auf Schicht in eine Holzwanne, den „Bäucherkessel“, gelegt, mit einem Leinentuch abgedeckt und mit einer heißen Lauge, die ebenfalls aus Holzasche gewonnen wurde, und mit spanischer Seife versetzt war, um das Garn geschmeidig zu machen, bis zu fünfzehnmal übergossen. Das Bezeichnung „Bäuchen“ kommt wohl von „Buche“ und man verstand ursprünglich nichts anderes darunter als dass das Garn in eine Lauge aus Buchenholzasche gelegt wurde. Nachdem es erneut ausgewrungen worden war, wurde es auf Stöcke gezogen und auf der Bleichwiese ausgelegt. Mit dem Aufziehen auf Stöcke verfolgte man einen doppelten Zweck, man konnte das Garn besser wenden und man konnte die Stöcke auf der Wiese befestigen, um ein Wegfliegen zu verhindern. Auf der Bleichwiese blieb es je nach Stärke drei bis zehn Tage liegen. Es musste nun ständig feucht gehalten werden, weil die Faser in feuchtem Zustand gequollen war und dem Sonnenlicht eine größere Angriffsfläche bot. So wurde das Garn weiter ausgebleicht, es fand im gewissen Sinne eine Oxydation statt. Zum Feuchthalten benutzten die Bleicher eine Wasserwurfschaufel, die „Güte“, mit der sie das Wasser aus der Wupper, den vielen Bächen oder Gräben schöpften und bis zu achtzehn Meter weit wie Regen über das Garn warfen. Das Wort „Güte“ stammt wohl „Geute“ = „Gießen“. Da das Garn, das unmittelbar auf der Wiese lag, immer feucht war und dem Sonnenlicht nicht oder wenig ausgesetzt war, musste es häufig gewendet werden, deswegen wurde es u.a. auf Stöcke gezogen.

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Nach der Bleiche kam es erneut in den Bäucherkessel und wurde gebäucht. Dieser Vorgang – Bäuchen und Bleichen – wurde bis zu zwölfmal wiederholt. Nach der letzten Bäuche wurde es noch einmal mit klarem Wasser ausgewaschen und „gebläut“, d.h. es wurde einige Male durch Wasser gezogen, dem man blaue Farbe und erneut Seife zugesetzt hatte, um die Leuchtkraft zu steigern und das Garn geschmeidig zu halten. Es wurde noch einmal ausgewrungen und auf Trockenzäune gehängt. Dann wurde es erneut gewogen, denn beim Bleichen war ein Gewichtsverlust von etwa 20 bis 30 % entstanden. Das fertige Garn wurde nun in Tonnen oder Ballen verpackt und z.B. in Köln, Frankfurt, Flandern oder Brabant verkauft, später zum größten Teil im Tal der Wupper selbst verarbeitet zu Bändern, Spitzen oder Litzen.

Der Arbeitsvorgang, wie er hier beschrieben ist, dauerte für eine Partie Garn je nach Stärke etwa zwei bis drei Monate.

Nach 1800 begann die wissenschaftliche Chemie, das Garnbleichen genauer zu erforschen und man erfand Chemikalien, die Zeit und Arbeit sparten. Etwa um 1840 wurde die Chlorbleiche eingeführt und damit begann das Ende der Rasenbleiche, die um 1900 ganz eingestellt wurde.

Am 29.April 1527 erwarben die Bleicher in Barmen und Elberfeld gegen eine Zahlung von 861 Goldgulden von Herzog Johann III. von Cleve, Jülich und Berg das Privileg der „Garnnahrung“, worin er u.a. bestimmte, dass in seinen Landen (etwa der Größe des heutigen Nordrhein-Westfalen entsprechend) nur in den beiden Flecken Barmen und Elberfeld gewerblich Garn gebleicht werden durfte.
Diese Epoche, die am 29.April 1527 mit dem Erwerb des Privilegs der „Garnnahrung“ begann und 1808 von Napoleon aufgelöst wurde, darf man als die wichtigste und folgenreichste für das Wuppertal bezeichnen.